Kürzlich habe ich ein Rhetorikseminar besucht. Vier Tage Reden und Kurzvorträge halten. Spaß hats gemacht, ist aber auch recht anstrengend und dabei wirklich nicht ohne. Auf was man beim Reden, vom Inhalt mal ganz abgesehen, so alles achten muss: Die Körperhaltung, den Blickkontakt zum Publikum, die Handhaltung, die Gestik, die Mimik, die Stimmmodulation, Betonung, Lautstärke, Spontanität … Du meine Güte! Und das auch noch alles gleichzeitig! Schreiben ist leichter, oder?
Wer schreibt, muss zum Beispiel schon mal nicht spontan sein. Auch wenn das, was eine Romanfigur so zum Besten gibt, richtig spontan, schlagfertig und cool klingt: Als Schreiber kann ich mir, wenn ich will, monatelang Zeit lassen und einen Dialog, Monolog, eine Aussage oder Bemerkung immer wieder und wieder umformulieren, neu fassen und daran herumfeilen, bis es, nun ja … so richtig spontan, schlagfertig und cool klingt.
Zweitens: Beim Schreiben stellt sich kein Lampenfieber wie beim Vortrag vor Publikum ein. Schreiben kann man ganz für sich allein im stillen Kämmerlein (reimt sich sogar).
Drittens muss man beim Schreiben nicht auf die Betonung und Stimmmodulation achten, denn der Leser hört nicht, ob eine Figur gerade ihre Stimme hebt oder senkt. Das muss im Kopf, in der Phantasie des Lesers passieren. Andererseits muss ich als Schreiber sehr wohl dafür sorgen, dass im Kopf des Lesers das von mir beabsichtigte Bild überhaupt entstehen kann. Nichts ist schlimmer, als wenn die Figur gerade, zumindest in der Absicht des Autors, furchtbar aufgeregt die Stimme erhebt oder hitzig eine Debatte führt, und im Kopf des Lesers findet außer Ödnis gar nichts statt. Und zwar nicht wegen der geistigen Ebbe beim Leser, sondern weil ich es als Autor nicht geschafft habe, in seinem Kopf die richtigen Bilder bzw. die richtige Stimmung zu erzeugen. Drittens ist also nicht so ganz stichhaltig.
Tja, dann also zu Viertens: Hm, Gestik, Mimik, Körpersprache … Dass ich beim Schreiben darauf nicht zu achten habe, wäre auch nicht korrekt zu behaupten. Es obliegt schon der Rolle des Schreibers, seinen Figuren diese Dinge mitzugeben, oder zumindest die Phantasie des Lesers auf eine Weise anzuregen, dass die Figuren in seinem Kopf in der beabsichtigten Weise lebendig werden. Und das möglichst, ohne zu viele Details zu beschreiben. Die Phantasie soll ja auch nicht unnötig eingeengt werden. Ist also vielleicht sogar schwieriger als reden.
Tja, bevor ich die Liste weiter fortsetze und mich zunehmend in Widersprüche verstricke, höre ich jetzt lieber auf. Ich schätze, wirklich leichter ist schreiben dann doch nicht. Nur anders.
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